Alina Heuer | Juli 2025 | Lesedauer 5 min

Foto: Dennis Böddicker
Pflanzen umgeben uns als lebendige Wesen, sie atmen, wachsen und reagieren auf ihre und mit ihrer Umwelt, und doch bleibt ihre Existenz für uns weitgehend still und geräuschlos. Neben den offensichtlichen Veränderungen, wie der Farbwandel im Verlauf der Jahreszeiten, das Wachstum oder die Bewegungen, die durch den kontinuierlichen Prozess des Wachsens und Welkens entstehen, gibt es noch Ebenen kleiner, feiner und versteckter Prozesse, Aktivitäten und Bewegungen, die unserer menschlichen Wahrnehmung entgehen, ohne technische Hilfsmittel nicht wahrnehmbar aber dennoch real sind. Dass diese Prozesse unseren Sinnen nicht zugänglich sind, beeinflusst das aktuelle Verhältnis des Menschen zur Natur, das oft von Unterschätzung, Nichtbeachtung, Distanz und Entfremdung gekennzeichnet ist.
Als ich das erste Mal davon gelesen habe, dass Wissenschaftler und Forscher Geräusche aufnehmen konnten, die in Pflanzen durch Wassermangel oder Photosynthese entstehen, hat mich sofort die Neugier gepackt, ob ich solche Geräusche auch selbst aufnehmen kann. Dazu waren lange Recherchen, unterschiedlichste Versuchsreihen und Durchhaltevermögen nötig. Letztendlich konnte ich mit spezieller Audiotechnik den Saftfluss in einer Birke aufnehmen und durch Bearbeitung in der Postproduktion diesen hörbar machen. Die Ultraschallfrequenzen der an Wasser mangelnden Pflanzen, stammen von Patrick Selle und der Hahn-Schickard-Gesellschaft aus Baden-Württemberg. Der ehemalige Universitätsprofessor und Bioakustiker Helmut Kratochvil stellte mir freundlicherweise seine aufgenommenen Geräusche der Photosynthese von Unterwasserpflanzen für die Nutzung bei meiner Abschlussarbeit zur Verfügung.

Foto: Alina Heuer
In meiner audiovisuellen Installation werden diese für uns nicht wahrnehmbaren Geräusche nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar und erfahrbar gemacht. Nach intensiver künstlerischer Forschung ist ein dunkles Wasserbecken entstanden, in welchem das Wasser durch die Schwingungen bestimmter Frequenzen der Geräusche in Bewegung gesetzt wird, wodurch zeitgleich Muster auf der Wasseroberfläche sichtbar werden.
Da mein Anspruch nicht auf einer korrekten Präsentation von informativen, wissenschaftlichen Geräuschen pflanzlicher Prozesse liegt, habe ich das Ausgangsaudiomaterial künstlerisch transformiert. Dadurch entsteht ein Raum einnehmendes, atmosphärisches, erlebbares Klangbild, welches gleichzeitig mit dem Visuellen eine Einheit bildet.

Foto: Marcus Wildelau
In meiner Arbeit spielt die Technik eine zentrale Rolle. Dabei geht es mir um eine Naturwahrnehmung mit Verantwortung und Bewusstsein. Ich setze Technik nicht zur Manipulation oder Kontrolle der Natur ein, sondern um pflanzliche Prozesse und Aktivitäten hörbar zu machen und diese künstlerisch zu transformieren. In meiner Installation schafft die Technik dabei Bedingungen, so dass zwischen Mensch und Natur vermittelt und eine sinnliche Beziehung ermöglicht werden kann. Es entsteht ein Zusammenspiel zwischen Technischem und Natürlichem.

Foto: Marcus Wildelau
In der Installation wird die Natur als eigenständige Kraft erfahrbar. Die große und tiefe Wirkung des dunklen Wasserbeckens macht die Mächtigkeit und Eigenlogik der Natur in Verbindung mit dem eigenen hierarchischen Verhältnis zur Natur spürbar. Ein Moment von Ungewissheit und Konfrontation mit etwas, das nicht vollständig kontrollierbar oder durchschaubar ist. In der Installation wird ein neues Verhältnis geschaffen, in der der Mensch nicht mehr dominiert. Die Wahrnehmungsebenen verschwimmen zwischen Faszination, Irritation und dem Bewusstsein von in Frage gestellten Machtgefällen.

Fotos: Alina Heuer und Dennis Böddicker


Die Installation geht weit über eine rein visuelle und auditive Wahrnehmung hinaus. Sie ermöglicht eine leibliche Spürbarkeit von Atmosphäre, einen Raum für Resonanzerfahrungen und somit ein neues In-Beziehung-treten mit der Welt und Natur. Wenn das Unhörbare und Unsichtbare der Pflanzen mehr Präsenz erhält, gewinnt es so möglicherweise auch an Bedeutung und Wert.
Credits
Text: Alina Heuer
Betreuung: Prof. Edith Kollath und Prof. Marcus Wildelau
Fotos: Dennis Böddicker, Alina Heuer und Marcus Wildelau

Foto: Marcus Wildelau
Alina Heuer
Juli 2025
Lesedauer 5 min

Foto: Dennis Böddicker
Pflanzen umgeben uns als lebendige Wesen, sie atmen, wachsen und reagieren auf ihre und mit ihrer Umwelt, und doch bleibt ihre Existenz für uns weitgehend still und geräuschlos. Neben den offensichtlichen Veränderungen, wie der Farbwandel im Verlauf der Jahreszeiten, das Wachstum oder die Bewegungen, die durch den kontinuierlichen Prozess des Wachsens und Welkens entstehen, gibt es noch Ebenen kleiner, feiner und versteckter Prozesse, Aktivitäten und Bewegungen, die unserer menschlichen Wahrnehmung entgehen, ohne technische Hilfsmittel nicht wahrnehmbar aber dennoch real sind. Dass diese Prozesse unseren Sinnen nicht zugänglich sind, beeinflusst das aktuelle Verhältnis des Menschen zur Natur, das oft von Unterschätzung, Nichtbeachtung, Distanz und Entfremdung gekennzeichnet ist.
Als ich das erste Mal davon gelesen habe, dass Wissenschaftler und Forscher Geräusche aufnehmen konnten, die in Pflanzen durch Wassermangel oder Photosynthese entstehen, hat mich sofort die Neugier gepackt, ob ich solche Geräusche auch selbst aufnehmen kann. Dazu waren lange Recherchen, unterschiedlichste Versuchsreihen und Durchhaltevermögen nötig. Letztendlich konnte ich mit spezieller Audiotechnik den Saftfluss in einer Birke aufnehmen und durch Bearbeitung in der Postproduktion diesen hörbar machen. Die Ultraschallfrequenzen der an Wasser mangelnden Pflanzen, stammen von Patrick Selle und der Hahn-Schickard-Gesellschaft aus Baden-Württemberg. Der ehemalige Universitätsprofessor und Bioakustiker Helmut Kratochvil stellte mir freundlicherweise seine aufgenommenen Geräusche der Photosynthese von Unterwasserpflanzen für die Nutzung bei meiner Abschlussarbeit zur Verfügung.

Foto: Alina Heuer
In meiner audiovisuellen Installation werden diese für uns nicht wahrnehmbaren Geräusche nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar und erfahrbar gemacht. Nach intensiver künstlerischer Forschung ist ein dunkles Wasserbecken entstanden, in welchem das Wasser durch die Schwingungen bestimmter Frequenzen der Geräusche in Bewegung gesetzt wird, wodurch zeitgleich Muster auf der Wasseroberfläche sichtbar werden.
Da mein Anspruch nicht auf einer korrekten Präsentation von informativen, wissenschaftlichen Geräuschen pflanzlicher Prozesse liegt, habe ich das Ausgangsaudiomaterial künstlerisch transformiert. Dadurch entsteht ein Raum einnehmendes, atmosphärisches, erlebbares Klangbild, welches gleichzeitig mit dem Visuellen eine Einheit bildet.

Foto: Marcus Wildelau
In meiner Arbeit spielt die Technik eine zentrale Rolle. Dabei geht es mir um eine Naturwahrnehmung mit Verantwortung und Bewusstsein. Ich setze Technik nicht zur Manipulation oder Kontrolle der Natur ein, sondern um pflanzliche Prozesse und Aktivitäten hörbar zu machen und diese künstlerisch zu transformieren. In meiner Installation schafft die Technik dabei Bedingungen, so dass zwischen Mensch und Natur vermittelt und eine sinnliche Beziehung ermöglicht werden kann. Es entsteht ein Zusammenspiel zwischen Technischem und Natürlichem.

Foto: Marcus Wildelau
In der Installation wird die Natur als eigenständige Kraft erfahrbar. Die große und tiefe Wirkung des dunklen Wasserbeckens macht die Mächtigkeit und Eigenlogik der Natur in Verbindung mit dem eigenen hierarchischen Verhältnis zur Natur spürbar. Ein Moment von Ungewissheit und Konfrontation mit etwas, das nicht vollständig kontrollierbar oder durchschaubar ist. In der Installation wird ein neues Verhältnis geschaffen, in der der Mensch nicht mehr dominiert. Die Wahrnehmungsebenen verschwimmen zwischen Faszination, Irritation und dem Bewusstsein von in Frage gestellten Machtgefällen.



Fotos: Alina Heuer und Dennis Böddicker
Die Installation geht weit über eine rein visuelle und auditive Wahrnehmung hinaus. Sie ermöglicht eine leibliche Spürbarkeit von Atmosphäre, einen Raum für Resonanzerfahrungen und somit ein neues In-Beziehung-treten mit der Welt und Natur. Wenn das Unhörbare und Unsichtbare der Pflanzen mehr Präsenz erhält, gewinnt es so möglicherweise auch an Bedeutung und Wert.
Credits
Text: Alina Heuer
Betreuung: Prof. Edith Kollath und Prof. Marcus Wildelau
Fotos: Dennis Böddicker, Alina Heuer und Marcus Wildelau

Foto: Marcus Wildelau